Dienstleistungsqualität
Für die Bestimmung der Dienstleistungsqualität können zunächst grundsätzlich diejenigen Ansätze angewendet werden, wie sie auch für die Qualität im Allgemeinen gelten. Bei Qualitätsbetrachtungen wird jedoch meist von Sachleistungen, also Gütern im Sinne physisch greifbarer Produkte, ausgegangen. Dienstleistungen gewinnen jedoch in der Wirtschaft zunehmend an Bedeutung. Gegenüber der Land- und Forstwirtschaft (primärer Sektor) und dem produzierenden Gewerbe (sekundärer Sektor) nimmt das Gewicht der Dienstleistungen (tertiärer Sektor, z. B. Handel und Verkehr, Dienstleistungsunternehmen, Staat, private Haushalte) seit Jahrzehnten zu.
Dabei ist das Spektrum an Dienstleistungsangeboten äußerst breit und die Abgrenzung zu Sachleistungen kann sich im Einzelfall schwierig gestalten, da die Grenze zwischen Sach- und Dienstleistungen asymmetrisch verläuft: Es sind zwar Dienstleistungen ohne Sachleistungsanteil denkbar, aber kaum Sachleistungen ohne Dienstleistungsanteil.
Bei näherer Betrachtung wird deutlich, dass Dienstleistungen eine Reihe von Besonderheiten aufweisen. Sie lassen sich im Wesentlichen durch drei Elemente charakterisieren und damit von Sachleistungen abgrenzen:
Immaterialität der angebotenen Leistung
Bei Dienstleistungen handelt es sich im Gegensatz zu Sachgütern um keine physisch greifbaren Objekte. Damit kann auch die Qualität von Dienstleistungen vor der Erstellung und damit in aller Regel vor dem Kauf nur bedingt sinnlich wahrgenommen werden.
Integration des externen Faktors
Die Erbringung einer Dienstleistung erfolgt am Kunden selbst oder an einem Gegenstand aus seinem Besitz (Verfügungsobjekt). Der Kunde selbst und sein Verffigungsobjekt bilden gemeinsam den sogenannten externen Faktor. Dieser muss bei der Erbringung der Dienstleistung nicht nur vorhanden sein, sondern wird direkt in den Prozess der Leistungserbringung einbezogen.
Gleichzeitigkeit von Produktion und Konsum
Dienstleistungen werden in dem Augenblick vom Kunden verbraucht, in dem sie erbracht werden. Sie sind daher auch nicht lagerfähig. Es handelt sich um eine Produktion, die durch die Anwesenheit des Kunden oder seines Verifigungsobjektes ausgelöst wird und nicht unabhängig davon ausgeführt werden kann.
Vor dem Hintergrund dieser charakteristischen Elemente lassen sich Dienstleistungen als immaterielle Güter beschreiben, die von personellen oder materiellen Leistungsträgern an externen Faktoren (Personen oder deren Verfügungsobjekten) erbracht werden.
Um die Dienstleistungsqualität gezielt verbessern zu können, ist die Kenntnis der genannten Charakteristika eine wichtige Grundlage. Um Dienstleistungen darüber hinaus zu systematisieren, eignet sich das Drei-Dimensionen-Modell. Es bietet die Möglichkeit, die unterschiedlichen Begriffsinhalte von Dienstleistungen durch die Betrachtung von drei speziellen Aspekten (Dimensionen) zu erfassen und eindeutig darzustellen:
Die Potenzialdimension bezieht sich vor allem auf die Wahrnehmung der Strukturen und Potenziale des Dienstleistungsanbieters. Sie wird geprägt durch die Fähigkeit, eine Dienstleistung zu erstellen (Können), und die Bereitschaft, dies zu tun (Wollen). Zur Potenzialdimension gehören nicht nur technische Möglichkeiten, sondern auch physikalische und organisatorische Gegebenheiten sowie Qualifikation und Motivation der Mitarbeiter.
Die Prozessdimensionerfasst die Dienstleistung als Folge von Tätigkeiten (Prozessen), die gleichzeitig Leistungserstellung und -verwertung beinhalten. Dazu gehört auch die Betrachtung des externen Faktors.
Die Ergebnisdimension bezieht sich auf die Beurteilung der erfolgten Leistung bzw. des Ergebnisses des Dienstleistungsprozesses. Dieses kann in Form einer materiellen oder immateriellen Veränderung am Kunden oder seinen Verfügungsobjekten vorliegen.
Konzentriert man die Betrachtung auf Art und Umfang der erstellten Dienstleistungen, so lassen sich in ähnlicher Weise zwei Qualitätsdimensionen unterscheiden: Bei der technischen Dimension steht die Breite des Leistungsprogramms im Mittelpunkt (Was wird angeboten?). Demgegenüber steht bei der funktionalen Dimension die Art und Weise der Leistungserbringung im Vordergrund (Wie wird die Leistung angeboten?).
Eine andere Unterteilung von Qualitätsdimensionen bezieht sich auf die Erwartungshaltungen der Kunden. Zu unterscheiden sind hierbei eine Routinekomponente (Eigenschaften von Dienstleistungen, die zum normalen Leistungsumfang gehören) und eine Ausnahmekomponente (Zusatzleistungen, die der Kunde vom Dienstleistungsanbieter nicht unbedingt erwarten kann).
Auch können Qualitätsdimensionen danach unterschieden werden, welche Nähe des Kunden zum Dienstleistungsprodukt bei der Beurteilung der Dienstleistungen gegeben ist: Kunden, die noch keine Erfahrung mit dem Dienstleistungsanbieter gemacht haben, werden sich demnach im Vorfeld der Leistungserbringung geeignete Indikatoren zur Beurteilung suchen (Suchkomponente). Liegen bereits Erfahrungen vor, so können während des Leistungserstellungsprozesses bzw. an dessen Ende gezielte Beurteilungen vorgenommen werden (Erfahrungskomponente). Solche Merkmale einer Dienstleistung, die sich einer genauen Beurteilung entziehen bzw. erst mit zeitlicher Verzögerung eingeschätzt werden können, lassen sich nur individuell beurteilen (Glaubenskomponente).
Darüber hinaus liegt eine Einteilung in Qualitätsdimensionen vor, die nicht nur konzeptionell entwickelt, sondern auch empirisch überprüft wurde. Sie kann gleichsam als Ergebnis sämtlicher oben skizzierter Dimensionen interpretiert werden. Demnach werden vom Kunden fünf Qualitätsdimensionen eigenständig wahrgenommen:
Annehmlichkeit des tangiblen Umfeldes
Das äußere Erscheinungsbild des Dienstleistungsortes, insbesondere die Ausstattung der Räume sowie das Erscheinungsbild des Personals.
Zuverlässigkeit
Die Fähigkeit des Dienstleistungsanbieters, die versprochenen Leistungen auch auf dem avisierten Niveau erfüllen zu können. -
Reaktionsfähigkeit
Die Fähigkeit des Dienstleistungsanbieters, auf den spezifischen Bedarf und die Wünsche der Kunden einzugehen und sie erfüllen zu können. Dazu gehören sowohl die generelle Bereitschaft als auch die Schnelligkeit der Reaktion.
Leistungskompetenz
Die grundsätzliche Fähigkeit des Anbieters zur Dienstleistung, insbesondere das Wissen, die Höflichkeit und Vertrauenswürdigkeit der Mitarbeiter.
Einfühlungsvermögen
Die Bereitschaft und Fähigkeit des Unternehmens, auf individuelle Kundenwünsche einzugehen. Zur näheren Betrachtung der Dienstleistung im Kontakt zwischen Kunde und Leistungserbringer lässt sich das sogenannte Gap-Modell der Dienstleistungsqualität anwenden. Seine Besonderheit ist die genaue Darstellung der Lücken in der Kommunikation sowohl zwischen den innerbetrieblichen Bereichen als auch zwischen Dienstleistungsunternehmen und Kunde. Der englische Begriff „gap" (Lücke) hat sich auch in der deutschsprachigen Dienstleistungsliteratur durchgesetzt und wird auch hier verwendet.
Das Gap-Modell unterscheidet folgende Lücken:
Gap 1
Diskrepanz zwischen den Kundenerwartungen und deren Wahrnehmung durch das Management des Dienstleisters. Hier wird deutlich, dass bereits in der Erfassung der Kundenwünsche Schwierigkeiten bestehen. Eine wesentliche Ursache für diesen Gap sind die unterschiedlichen Auffassungen der Beteiligten über die jeweilige Dimension der (Dienstleistungs-)Qualität.
Gap2
Diskrepanz zwischen der Wahrnehmung der Kundenerwartungen durch das Management und der Interpretation durch den Dienstleister mit anschließender Umsetzung in Spezifikationen der Dienstleistungsqualität. Dieser Gap zeigt, dass auch die Übertragung der erfassten Kundenwünsche in die unternehmensinternen Vorgaben für die Ausführung der Dienstleistung Probleme bereiten kann. Hierbei spielen auch die Einstellungen der am Prozess der Dienstleistungserstellung beteiligten Mitarbeiter gegenüber den Dienstleistungsprodukten eine wichtige Rolle.
Gap3
Diskrepanz zwischen den Spezifikationen der Dienstleistungsqualität und der tatsächlich erstellten Leistung. Als Ursache für eine ungenügende Dienstleistung wird oftmals das Unvermögen der Mitarbeiter, eine korrekte Leistung zu erbringen, gesehen. Dabei ist jedoch auch der bedeutende Einfluss von technischen Gegebenheiten, nicht beeinflussbaren Umfeldbedingungen sowie spezifischen Kontrollmechanismen zu berücksichtigen.
Gap4
Diskrepanz zwischen erstellter Dienstleistung und der an den Kunden gerichteten Kommunikation über diese Dienstleistung. Dieser Gap zeigt, dass dem Kunden oft mehr versprochen wird, als das Unternehmen zu leisten in der Lage ist. Ursachen dafür können in einem ungenügenden Abwägen von Werbebotschaften des Unternehmens an die Kunden, aber auch in einer unklaren horizontalen Kommunikation innerhalb des Unternehmens liegen.
Gap5
Diskrepanz zwischen den Erwartungen des Kunden an eine Dienstleistung und seiner Wahrnehmung der real erbrachten Dienstleistung. Dieser Gap ist ein Maß für die vom Kunden wahrgenommene Dienstleistungsqualität und damit die entscheidende Lücke, die das Modell aufzeigt. Es besteht jedoch eine weitgehende Abhängigkeit von den vorhergehenden Gaps.
Insgesamt ist zu berücksichtigen, dass objektiv nachvollziehbare Aussagen über das tatsächliche Niveau einer Dienstleistung nur schwer getroffen werden können. Damit kommt auch die Subjektivität des Qualitätsbegriffs bei Dienstleistungen an sich zum Ausdruck: So wie die Leistung selbst sehr individuell sein kann, da der Kunde an ihrer Erbringung beteiligt ist, ist auch das Qualitätsverständnis sehr individuell und vielschichtig. Das Gap-Modell kann als Orientierungshilfe für die gezielte Analyse und die folgende Beseitigung inner- und überbetrieblicher Schwachstellen anhand der aufgezeigten Lücken dienen.